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Seit 25 Jahren gibt es eine „Ordnungspartnerschaft“ zwischen der Stadt und der Polizei Dortmund. Sie basierte vor allem auf gemeinsamen Teams von Polizei und Ordnungsamt – die mal häufiger mal seltener – gemeinsam auf Streife gingen. Zum Jubiläum soll die Zusammenarbeit verstetigt und ausgeweitet werden. Der Grund sind die zunehmenden Probleme im Bereich der City, was die Zunahme von Drogenkonsum, Drogenhandel und Straßenkriminalität angeht. Als eine Hauptursache für die Verschärfung der Lage wird vor allem der verstärkte Konsum von Crack genannt, mit dem die deutschen Großstädte derzeit überschwemmt werden.
„Mit langem Atem und vereinten Kräften“ zu einer Lösung
„Die Ordnungspartnerschaft ist eine Erfindung in dieser Stadt für diese Stadt. Vor der aktuellen Hintergrund wollen wir die Partnerschaft neu beleben und ausrichten“, sagte Oberbürgermeister Thomas Westphal mit Blick auf die aktuellen Entwicklungen in der City, wo u. a. der Konsum von Drogen zu Beschwerden führt. Für die Zusammenarbeit richtet die Stadt Dortmund einen Sonderstab ein.
„Wir senden heute ein Signal: Mit langem Atem, vereinten Kräften und enger Zusammenarbeit zwischen Stadt und Polizei werden wir bei ganzheitlicher Betrachtung an der Lösung eines drängenden Problems arbeiten“, sagte Polizeipräsident Gregor Lange bei der Unterzeichnung der Kooperationsvereinbarung. ___STEADY_PAYWALL___
Seit Anfang Juli 2023 erhöht die Dortmunder Polizei mit deutlich mehr Personal im Zentrum und in der Nordstadt den Strafverfolgungsdruck, um einen spürbaren Anstieg der Straßen- und der Rauschgiftkriminalität zu stoppen. „Einzelhandel, Anwohner und Besucher der City fordern zurecht verlässliche Perspektiven ein. Sie wollen sich wohl und sicher fühlen. Ich sehe neben der zwingend notwendigen suchtpräventiven Arbeit die Sicherheits- und Ordnungsbehörden in der Pflicht, diese Perspektiven zu schaffen“, so der Polizeipräsident.
Die traurige Botschaft: „Crack verändert alles“
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„Wir nehmen schon wahr, dass das öffentliche Stadtleben durch den Drogenkonsum und durch den deutlich sichtbaren Konsum von Crack die Lage deutlich verändert hat“, so Westphal. „Crack verändert alles. Die Art des Konsums, des Bewegens im Stadtbild, die Beschaffung und das Verhältnis zu anderen Bürger:innen, die sich in Stadt aufhalten“, beschreibt der OB die Herausforderungen.
Denn Cracksüchtige seien aggressiver, müssten häufiger konsumieren und daher auch mehr Geld beschaffen. Die Folgen sind aggressives Betteln und andere Formen von Belästigungen, aber auch vermehrt Beschaffungskriminalität. „Das geht weit darüber hinaus, ob es einen Drogenkosnumraum gibt und wo er ist. Es ist sehr schwierig, dieser Sache überhaupt Herr zu werden.“
„Uns geht es darum, einen breiten Blick darauf zu werfen. Nur mit Repressalien werden wir das Thema nicht lösen. Wir müssen natürlich die Ordnung aufrecht halten und Straftaten verhindern, aber auch die Suchthilfe weiterentwickeln. Denn auch die Suchthilfe ist mit den bisherigen Konzepten an eine Grenze gestoßen“, skizziert Westphal die Ausgangslage.
Neuer „Sonderstab Ordnung und Stadtleben“ eingerichtet
Das alles war für ihn Grund genug, einen „Sonderstab Ordnung und Stadtleben“ einzurichten, der über Dezernate und Fachbereiche hinweggeht. Eingerichtet werden fünf Untergruppen: Stadtraum verschönern, Campieren reduzieren, Belästigung bekämpfen, Sucht vermeiden und Suchthilfe weiterentwickeln. Der Sonderstab, geleitet von Oberbürgermeister und Polizeipräsident, wird wöchentlich tagen und die Arbeit der fünf Untergruppen zusammenführen.
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Die Struktur ist angelehnt an die Arbeitsweise der Krisenstäbe. Doch Krisenstab soll die Einheit explizit nicht heißen: „Das ist keine Krise. Daher müssen wir die Tassen im Schrank lassen. Die Lage gefällt uns nicht, aber es ist keine weltweite Pandemie oder Krieg. Wir müssen aber raus aus der klassischen Verwaltungsarbeit“, so Westphal mit Blick darauf, dass viele Facetten Querschnittsthemen sind, die einzelne Ressorts oder Fachbereiche allein nicht lösen können. Sie sollen aber dabei nun Hand in Hand arbeiten.
Während Punkte wie „das Stadtbild in der Parterre reparieren und verschönern“ wenig Konfliktpotenzial bergen, wird „Campieren reduzieren“ deutlich mehr Gegenreaktionen erzeugen. Denn schon länger beklagen nicht nur Hilfsorganisationen, dass zunehmend die Obdachlosen aus der City vertrieben werden. Denn sie werden offenbar – neben den Süchtigen – als eine Gruppe identifiziert, die sich negativ auf das subjektive Sicherheitsempfinden auswirken (könnte).
Westphal merkte an, dass es im öffentlichen Bereich immer mehr Punkte gebe, „wo es auffällt und stört, weil man nicht mehr ohne beklemmendes Gefühl vorbeigehen kann“, so Westphal. Daher soll sich eine Untergruppe mit dem Thema „Belästigung bekämpfen“, was ein sehr weites Feld darstellt. „Belästigungen haben deutlich zugenommen. Für viele ist es nicht mehr akzeptabel – das sehe ich genauso. Auch hier wird die Polizei direkt mitarbeiten“, so der OB.
Es braucht neue Konzepte für Suchtvermeidung und Suchthilfe
Weniger strittig, aber deutlich langwieriger – könnte der Um- und Ausbau der Suchthilfe sein. Zwei Arbeitsgruppen beschäftigen sich damit. „Sucht vermeiden“ zielt vor allem auf Prävention ab:
Das Ziel ist, dass sich Crack nicht weiter ausbreitet. Vor allem junge Leute sollten sich nicht verleiten lassen, es auszuprobieren. „Denn Crack macht sofort süchtig und abhängig. Da müssen wir die Konzepte schärfen“, so Westphal.
In der fünften Arbeitsgruppe gehe es darum, die Suchthilfe weiterzuentwickeln. „Wir müssen Wege finden, wie wir noch effektiver werden können unter den veränderten Rahmenbedingungen“, so der OB. Dennoch musste er einräumen, dass es bisher weder Blaupausen noch fertige Konzepte gebe. „Wir müssen sie entwickeln – präventiv und repressiv.“ Daher sei der Sonderstab ohne zeitliche Begrenzung eingerichtet worden: „Das wird kein Sprint, sondern ein längerer Weg, bis wir sehen, dass sich die Lage verändert“, mahnte Westphal einen langen Atem an.
„In meinen Augen ist es ein Signal, was wir hier abgeben. Es ist ein Phänomen und ein Problem, das in vielen Städten existiert. Mit langem Atem und vereinten Kräften werden wir eine Lösung finden“, zeigte sich Polizeipräsident Lange zuversichtlich. Allerdings seien die Herausforderungen nach Jahren der Pandemie groß und Probleme auf Straßen und Plätzen in ihrer Qualität neu.
Polizei will mit der „richtigen Balance“ auf Drogen-Begleiterscheinungen einwirken
Straftaten, aggressives Betteln, der Rauschgifthandel und -konsum und der seit 2018 festzustellende deutliche Anstieg der Rauschgifttoten erfordern eine Bündelung aller Kräfte. „Mir ist bewusst, dass Repressionen und andere Maßnahmen der Polizei die Suchtprobleme von Abhängigen nicht lösen können. Aber wir müssen und können mit der richtigen Balance auf die Begleiterscheinungen einwirken, damit das Wohnen und das Leben in der Westfalenmetropole angenehm und sicher sind“, so Lange.
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„Kurzfristige Etappenerfolge helfen dabei nicht weiter. Nur eine dauerhaft hohe Aufenthaltsqualität kann unser Ziel sein. Damit bringen wir uns als Polizei in die neue Kooperation und in den Sonderstab der Stadt ein“, erläuterte der Polizeipräsident. Für den verstärkten Einsatz mit dem Kommunalen Ordnungsdienst (KOD) sei die Polizei seit Anfang Juli 2023 gut aufgestellt.
„Mehr als 8900 Personalstunden der Polizei führten in den vergangenen acht Wochen zu fast 1000 Platzverweisen. Wir haben in diesem Zeitraum 18 Waffen und 50.000 Euro Bargeld sichergestellt und mit fast 440 Straf- und Ordnungswidrigkeiten erste Ergebnisse geliefert – und wir lassen nicht nach. Im Gegenteil, wir erhöhen weiter mit starkem Engagement und unübersehbarer Präsenz den Strafverfolgungsdruck“, kündigte der Polizeipräsident an.
Mit ähnlichen Zahlen konnte Ordnungsdezernent Norbert Dahmen aufwarten: „Wir haben seit dem 17. August unsere Einsätze stark verstärkt.“ Zwei Wochen lang war der kommunale Ordnungsdienst ausschließlich innerhalb des Wallrings aktiv. Dessen Bilanz: 782 Platzverweise, fast 1000 Ordnungswidrigkeiten-Anzeigen – davon rund 400 wegen öffentlichen Drogenkonsums und 136 wegen aggressiven Bettelns. „Ziel ist es, mit den uns zur Verfügung stehenden repressiven Mitteln die Ordnung wieder herzustellen. Dabei werden wir seit 21. August von der Polizei massiv unterstützt. Wichtig ist, dass die Strafverfolgung zügig erfolgt. Da hat sich die Ordnungspartnerschaft bewährt“, so Dahmen.
Die Dortmunder Polizei hat das Land NRW um Unterstützung gebeten
Die Problemlage in der Innenstadt sei vielschichtig. Das aggressive Betteln von Süchtigen, die Rauschgiftkriminalität, der Drogenkonsum und der Anstieg von Straftaten seien seit dem 7. Juli 2023 auch Auslöser für mehr als 800 Gespräche zwischen Bürgerinnen und Bürgern und der Polizei gewesen, was Lange begrüßt. „Diese Gespräche werden wir aktiv fortsetzen, weil wir darin wichtige Hinweise und Impulse für unsere Arbeit erhalten. Diese Gespräche zeigen uns, dass die Bürger ihrer Polizei vertrauen“, so der Polizeipräsident.
Die Polizei und der Kommunale Ordnungsdienst wollen die „Doppelstreifen“ verstärken und damit einen Beitrag zur langfristigen Lösung der Probleme leisten. Mit mehr Kontrollen ist zu erwarten, dass die Zahl der erkannten Straftaten und Ordnungswidrigkeiten weiter steigt – „mit dem Ziel, dass ab einem bestimmten Punkt deutlich weniger Straftaten begangenen werden und die Zahlen wieder zurückgehen“, sagte Polizeipräsident Gregor Lange über den Fokus.
„Fokus“ – so heißt das Präsenzkonzept des Polizeipräsidiums, das unter diesem Namen nunmehr vier Arbeitsschwerpunkte zusammenfasst: Die Präsenzkonzepte „Nord“, „City“ und das Einsatzkonzept „Verbotene Kraftfahrzeugrennen“ verbindet die Polizei zusätzlich mit der Bekämpfung der Rauschgiftkriminalität, dessen „Markt“ auch Süchtige aus umliegenden Städten anzieht. Die Dortmunder Polizei bat das Land NRW daher um Unterstützung und erhielt die Zusage, verstärkt auch nordrhein-westfälische Bereitschaftspolizei einsetzen zu können.
Der starker Anstieg der Drogentoten in Dortmund ist ein weiterer Antrieb
Die Dortmunder Polizei ist in der Folge auf lange Sicht mit deutlich mehr Personal im Einsatz – sichtbar und verdeckt. Strategische Fahndungen und auch Videobeobachtungen ausgewählter Orte (Keuningpark, Münsterstraße, Brückstraßenviertel) sollen dabei helfen. Personell wirft die Polizei Dortmund alles in die Waagschale, was sie aufbieten kann: Einsatzkräfte aus dem Schwerpunktdienst, dem Bezirksdienst, der Diensthunde-, Fahrrad- und Kradstaffel, dem Verkehrsdienst, der Kriminalpolizei, der Bereitschaftspolizei, einer mobilen Wache und weitere zivile Einsatzkräfte sollen an der Lösung der aktuellen Probleme mitwirken.
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Weitestgehend verdeckt laufen die Ermittlungen und Kontrollen des Kommissariats zur Bekämpfung der Rauschgiftkriminalität mit dem Ziel, im Hintergrund weiter die Strukturen zu erhellen und so den Drogenhandel einzudämmen. „2018 sind acht Suchtkranke an den Folgen des Drogenkonsums verstorben“, erinnert Lange. „2022 waren es 31 Tote – diese Zahlen zeigen unserer Gesellschaft nicht nur die ganze menschliche Tragik von Abhängigkeit und Sucht, sondern auch, wer davon profitiert: Es sind Kriminelle, die mit dem Elend der Suchtkranken viel Geld verdienen. Ob der Handel auf offener Straße oder digitale Vertriebswege: Wir gehen repressiv gegen diese menschenverachtenden Strukturen vor.“
Durch stärkere Kontrollen auf offener Straße stellte die Polizei bei den Rauschgiftdelikten mehr Straftaten fest. Von Januar bis Juli 2023 stieg die Zahl der Delikte im Vergleichszeitraum 2022 von 2132 auf 2495 Taten an (= +17,03 Prozent). Rund 20 Prozent der Tatverdächtigen sind jünger als 21. Bei der Gewaltkriminalität ist die Zahl der erfassten Fälle um 24 Prozent von 1683 auf 2103 angestiegen (Januar bis Juli 2022 / 2023). Dabei fällt auf, dass Jugendliche im Jahr 2023 bei der Tat häufiger ein Messer verwendeten (2022: 17 / 2023: 33).
Landespolizei unterstützt: „Aber Repression kann nicht das Allheilmittel sein“
„Wir nehmen die Aufgabe an“, betonte Achim Stankowitz, Leiter der Direktion Gefahrenabwehr/Einsatz beim Polizeipräsidium Dortmund. Der gesamte Citybereich sowie die südliche Nordstadt sind dabei im Visier. Die Dortmunder Polizei wird durch Kräfte der Landespolizeibereitschaft unterstützt. „Sie können durchaus auch aus anderen Städten kommen, werden aber durch erfahrene Führungskräfte aus Dortmund angeleitet.“ Dadurch gibt es im täglichen Einsatz deutlich mehr Möglichkeiten.
„In Abstimmung mit der Stadt haben wir klargestellt, dass Repression nicht das Allheilmittel sein kann. Wir werden versuchen, den Verdrängungseffekt so klein wie möglich zu halten, auch wenn es ihn geben wird“, so Stankowitz. Auch wenn sich die Polizei derzeit auf die City fokussiert, werden die anderen Stadtbezirke nicht aus dem Blick verloren.
„Wir sind mit der Leitstelle eng vernetzt, so dass wir auch andere Bezirke bis nach Lünen hin im Blick haben. Unsere Einsatzkräfte sind ja nicht gefesselt. Sie fahren dahin, wo polizeiliches Handeln nötig ist“, so der Leiter der Direktion Gefahrenabwehr/Einsatz – mit rund 1300 Polizeikräften die größte Dortmunder Direktion.
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