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Ein Jahr nach den tödlichen Schüssen auf den 16-jährigen Mouhamed Dramé haben zwei Gruppen am heutigen Samstag (12. August) Gedenkdemonstrationen angemeldet. Der Solidaritätskreis Mouhamed hatte zuvor bundesweit mobilisiert.
„Wir wollen, dass die Leute zuhören und verstehen, dass es so nicht weiter geht“
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Trotz des schlechten Wetters sind viele Menschen auf dem Platz der Deutschen Einheit zusammengekommen. Die Veranstalter:innen sprechen von 1300 Teilnehmer:innen, die Polizei von über 1000. Das Gedenken an Mouhamed ist den Menschen ein wichtiges Anliegen. Die Stimmung war emotional, aber dennoch friedlich.
Die Organisator:innen haben, wie im letzten Jahr, explizit darum gebeten, den ersten Block der Demonstration nur mit Menschen zu füllen, die von Rassismus betroffen sind. Die Enttäuschung der Polizei gegenüber ist die gesamte Veranstaltung über zu spüren. Viele Menschen skandieren Parolen wie: „Wache Nord, das war Mord.“
„Wir wollen, dass die Leute zuhören und verstehen, dass es so nicht weiter geht“ erklärt Maureen. „Es kann nicht sein, dass man Angst hat zuzugeben, dass etwas schief läuft und das Problem zu kaschieren, anstatt zu der Verantwortung zu stehen und zu sagen: Das war scheiße, das geht so nicht, kein Mensch darf so sterben!“
Forderungen nach grundlegender Veränderung
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Das sich in der Polizei grundlegend etwas ändern muss, ist hier jeder und jedem klar. Was genau passieren soll, dazu sind die Protestierenden geteilter Meinung.
Waldemar Lokowski fordert eine bessere Ausbildung und verstärkt Schulungen innerhalb der Polizeibehörden. Außerdem brauche es eine unabhängige Beschwerdestelle, denn: „im Moment ist es so, dass sie das selber machen und das funktioniert natürlich überhaupt nicht.“
Andere gehen einen Schritt weiter. Lukas B. fordert etwa: „Die Polizei darf sich nicht wie ein bockiges Kind vor Kritik verschließen. Wir müssen mehr abolish (Anm. d. Redaktion: Abschaffungs-)Ansätze verfolgen. Das heißt ein dezentraleres Angehen von Problemen: arbeiten mit den Communitys, ein besseres, spezialisierteres Vorgehen, was die Polizei so nicht stemmen kann.“
Aufeinandertreffen Nordwache
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Gegen 16:30 kam die Demonstration vor der Wache Nord zum Stehen, obwohl die polizeilichen Auflagen das eigentlich verboten hatten. Die Zwischenkundgebung am Freiherr-von-Stein-Platz war aufgrund der hohen Personenanzahl zu überlaufen, sodass einige Menschen vor dem Revier auf der Münsterstraße standen. Die Polizei war besonders im Bereich rund um die Wache mit einer erhöhten Präsenz vor Ort. Vereinzelt wurde Feuerwerk gezündet.
William Dountio erzählt: „Wir sind stolz auf die Familie Dramé, die heute per Livestream dabei war. Wir sind stolz auf alle Freunde, die deutschlandweit und europaweit, trotz des Wetters, angereist sind. Das sind Menschen, die uns seit einem Jahr mit so viel Kraft unterstützen“ so der Mitorganisator der Demonstration.
Spekulationen über ein Aufeinandertreffen zwischen dem Solidaritätskreis Mouhamed und dem Freundeskreis Mouhamed haben sich nicht bewahrheitet. Die MLPD-nahe Gruppe war ca. 20 Minuten zuvor mit ihrer Demonstration an der Wache Nord vorbeigezogen.
Freundeskreis Mouhamed mit eigener Demonstration
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Der Freundeskreis Mouhamed war mit 70 Teilnehmer:innen die deutlich kleinere Gedenkveranstaltung. Am Kurt-Piehl-Platz versammelte sich die Gruppe, die in der vergangenen Woche durch ihre Inszenierung des tödlichen Polizeieinsatzes vor einem Jahr in der Kritik stand.
Im vergangenen Jahr hatte der Freundeskreis auf die Anmeldung einer eigenen Veranstaltung verzichtet und war stattdessen auf der Demonstration des Solidaritätskreises mitgelaufen. Dies hat zu Konflikten und kleineren Handgreiflichkeiten geführt.
Der Freundeskreis Mouhamed ist Teil des Freundeskreis für Flüchtlingssolidarität, welcher wiederum eng mit der MLPD zusammenarbeitet. Durch diese Verbindung polarisiert das Bündnis bereits seit seiner Gründung und sieht sich Vorwürfen ausgesetzt, den Fall Mouhamed politisch zu instrumentalisieren.
Polizei sucht Dialog mit Menschen aus der Nordstadt
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Polizeisprecher Torsten Sziesze zeigt Verständnis für die Demonstrant:innen: „Ich kann diese emotionale Lage natürlich verstehen. Seine Meinung kann jeder kundtun, solange man das friedlich macht.“ Ein Jahr nach dem Vorfall habe sich einiges geändert: „Fortbildungen wurden intensiviert, auch im Umgang mit psychisch erkrankten Menschen. Wir haben eine AG Dialog eingerichtet. In dieser Arbeitsgruppe sind Menschen aus den verschiedensten Bereichen, aus verschiedenen Communitys aus der Nordstadt, um miteinander zu sprechen und Kritik zu äußern“ so Sziesze.
Sonja Lemke, Dortmunder Ratsmitglied für die Linkspartei, hält die Dialogversuche der Polizei für gescheitert. Erst habe man versucht durch Formate wie „Talk with a Cop“ zugänglicher zu sein, das sei aber mittlerweile ins Gegenteil umgeschwungen: „Das hat sich nach einem Artikel der Bild-Zeitung schnell geändert. Es gab die Zone der strategischen Fahndung am Borsigplatz, wo wirklich jeder kontrolliert werden konnte. Jetzt gilt wieder Law-and-Order und möglichst draufhauen auf die Leute, die sowieso schon prekarisiert sind.“
Graffitis zu Ehren von durch die Polizei getöteten Menschen
Am Freitagabend (11. August) haben Künstler:innen in Kooperation mit dem Solidaritätskreis Mouhamed an der legalen Graffitiwand in der Otto-Meinecke-Straße am Dortmunder U Portraits und Botschaften in Erinnerung an durch die Polizei getöteten Personen gemalt. Nicht nur Mouhamed Dramé, sondern auch der aus Gießen stammende Sammy Baker und Bilel G. aus Herford finden sich dort wieder. Mit Angehörigen der Opfer steht der Solidaritätskreis in regelmäßigem Austausch.
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