Kommando zurück beim Hooligan-Aufmarsch: Das OVG Münster hat die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen kassiert. Die zweite Instanz gibt der Dortmunder Polizei Recht und folgt der vorgelegten Gefahrenprognose.
Polizei hatte mit seiner Reduzierung auf eine Standkundgebung Recht
Der Dortmunder Polizeipräsident Gregor Lange hatte verfügt, den geplanten Aufzug am Samstag (8. Oktober 2016) durch die südliche und östliche Innenstadt auf eine Standkundgebung in Bahnhofsnähe zu reduzieren.
Dem gibt das Oberverwaltungsgericht in Münster nun am Vorabend der Veranstaltung abschließend Recht. Demoanmelder Marcel Kuschela kann nun nicht mehr vor das Bundesverwaltungsgericht ziehen.
Allerdings kann er sich noch auf sein Grundrecht auf Versammlungsfreiheit berufen und vor das Bundesverfassungsgericht nach Karlsruhe ziehen. Ob er das will, ist noch nicht nicht bekannt.
„Ich freue mich über die Entscheidung des OVG Münster. Sie zeigt, dass man unserer Gefahrenprognose und Rechtsauffassung gefolgt ist. Die Entscheidung trägt zu mehr Sicherheit für die Teilnehmer der Versammlungen, Unbeteiligten und der eingesetzten Polizeibeamten bei“, so Lange in einer ersten Stellungnahme.
„Unmittelbare Gefahr für Leib und Leben sowie für das Eigentum Dritter“
Die Richter in Münster verwiesen in ihrem Eilbeschwerdebeschluss darauf, dass die Verfügung der Dortmunder Polizei nicht unverhältnismäßig sei.
„Ausgehend von (…) den plausiblen Darlegungen (…) ist hinreichend wahrscheinlich, dass es zu einer unmittelbaren Gefahr für Leib und Leben sowie für das Eigentum Dritter kommt, falls die angemeldete Versammlung als Aufzug durchgeführt wird“, schreibt das OVG.
Für die Richter sind die Polizei-Argumente plausibel, dass am 8. Oktober 2016 in Dortmund mit der Versammlungsteilnahme zahlreicher gewaltbereiter und gewaltsuchender Hooligans zu rechnen sei.
„Der Antragsteller als Anmelder der Versammlung steht erklärtermaßen der HoGeSa-Bewegung bzw. der ,Gemeinsam-Stark-Bewegung’ zumindest nahe.“
Gericht rechnet mit teilidentischem Teilnehmerkreis wie bei Ausschreitungen in Köln
Aufgrund dessen und aufgrund der Werbeaktivitäten, die etwa auf Facebook oder auf youtube entfaltet werden, ist demgemäß mit einem wenigstens teilidentischen Teilnehmerkreis zu rechnen wie bei den HoGeSa-Versammlungen in Köln am 26. Oktober 2014 und am 25. Oktober 2015.“
2014 in Köln kamen 4.800 Teilnehmer. Dabei kam es „zu erheblichen gewalttätigen Ausschreitungen aus dem Versammlungsaufzug heraus“, schreiben die Richter.
In Anbetracht des bundesweiten Mobilisierungsgrads des Veranstalters – zumal an einem bundesligafreien Wochenende – halten die Richter 1000 Teilnehmer für plausibel.
Würde die Prognose der Dortmunder Polizei eintreffen, wären die Beamten mit „Gewaltentwicklungen durch die Versammlungsteilnehmer mit einer Dynamik konfrontiert, die er nach seinen überzeugenden Darlegungen nicht mehr unter Kontrolle halten könnte, um Leib und Leben sowie das Eigentum Dritter zu schützen“.
Polizei hat nicht genügend Einsatzkräfte – Aufzug wäre schwer zu beherrschen
Denn ein Aufzug könne eben nicht so leicht beherrscht werden wie eine stationäre Kundgebung.
Zudem stünden zur Bewältigung des gesamten Versammlungsgeschehens am 8. Oktober 2016 (die Versammlung der Hooligans, drei Gegendemonstrationen, eine weitere Versammlung von Kurden mit etwa 1.000 Teilnehmern, alle jeweils in der Dortmunder Innenstadt) maximal 2.000 Einsatzkräfte zur Verfügung.
Etwa ein Drittel dieser Kräfte werde für erforderliche Maßnahmen abseits der Versammlungen benötigt. Die übrigen Einsatzkräfte verteilten sich auf die genannten Versammlungen, um den jeweiligen Versammlungsschutz zu gewährleisten.
Die inzwischen angemeldeten drei Gegendemonstrationen des linken Spektrums würden zwar räumlich von der Versammlung des Antragstellers getrennt.
Polizei muss sich um Störungen aus dem linken Spektrum kümmern können
Es sei aber damit zu rechnen, dass Versammlungsteilnehmer des linken Spektrums in Kleingruppen versuchen werden, die Versammlung des Antragstellers zu stören. Deshalb müsse eine hohe Zahl von Kräften für die Gegenversammlungen vorgehalten werden, um zu verhindern, dass sich diese Kleingruppen hieraus lösen.
Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass die Innenstadt am Samstag durch das Einkaufs- und Ausflugspublikum derart stark frequentiert sei, dass Störer dies zu ihrem Vorteil auszunutzen könnten.
Kritik der Verwaltungsrichter wird von höheren Instanz zurückgewiesen
Auch auf die zentrale Kritik der ersten Instanz – die Verfügung der Polizei basiere vor allem auf Vermutungen und nicht auf Fakten – ging das OVG ein.
„Der Senat verkennt dabei zwar nicht, dass es an hinreichend belastbaren Anhaltspunkten dafür fehlt, dass die Teilnehmer der vom Antragsteller angemeldeten Versammlung in größerer Zahl von sich aus vollkommen anlasslos Gewalttaten begehen werden“, heißt es im OVG-Beschluss.
„Allerdings ist angesichts des sich bei der Versammlung voraussichtlich einfindenden gewaltbereiten bzw. gewaltsuchenden Teilnehmerkreises gleichwohl davon auszugehen, dass die Teilnehmer auf nach Lage der Dinge – wie vorstehend dargelegt – mit überwiegender Wahrscheinlichkeit erwartbare und polizeilich nicht hinreichend sicher vermeidbare Provokationen Dritter bereitwillig mit Gewalt reagieren werden.“
Und weiter: „Von einer Versammlung muss jedoch verlangt werden, dass sie auch mit Blick auf Provokationen friedlich bleibt. Sind Gewalttätigkeiten aus einem Aufzug – wie hier – hinreichend wahrscheinlich, entfällt die Gefahrenlage nicht dadurch, dass die Polizei sie möglicherweise (mit zusätzlichen Kräften) verhindern könnte. Vielmehr darf die Polizei gegen eine solche Gefahrenlage von vornherein etwa durch eine Beschränkung der Versammlung auf eine Standkundgebung einschreiten.“
Hooligan-Aufzug gefahrentechnisch nicht mit Neonazi-Aufmarsch vergleichbar
Gegen diese Gefahrenbewertung könne der Antragsteller nicht mit Erfolg einwenden, vorausgehende Referenzveranstaltungen seien im Wesentlichen gewaltfrei verlaufen. Soweit dies etwa am 25. Oktober 2015 in Köln oder am 9. April 2016 in Magdeburg der Fall gewesen sein mag, handelte es sich um (Stand-)Kundgebungen, deren Gefahrenpotential und Beherrschbarkeit nicht mit demjenigen eines Aufzugs zu vergleichen ist.
Nicht vergleichbar mit dem für den 8. Oktober 2016 geplanten Aufzug sei auch die Einsatzlage in Dortmund am 4. Juni 2016, als offenbar politisch unterschiedlich ausgerichtete Demonstrationen und Gegendemonstrationen gleichzeitig abliefen, ohne dass es dabei zu gewalttätigen Auseinandersetzungen kam.
„Der Antragsgegner hat dazu nachvollziehbar ausgeführt, dass eine weite räumliche Trennung wie am 4. Juni 2016 am 8. Oktober 2016 nicht erneut zu bewerkstelligen sei.
Sowohl die drei am 8. Oktober 2016 angemeldeten Gegendemonstrationen als auch die Versammlung des Antragstellers sowie eine zusätzliche Versammlung der Kurden seien in unmittelbarer räumlicher Nähe zueinander in der Dortmunder Innenstadt verortet“, hält das OVG der Polizei zugute.
Außerdem weise der Hooligan-Aufzug ein deutlich höheres Gefahrenpotential auf als beim Neonazi-Aufmarsch am 4. Juni 2016, bei der auch mehr als doppelt so viele Einsatzkräfte zur Verfügung gestanden hätten.
Mehr zum Thema auf nordstadtblogger.de:
Dortmund: Mahnwachen von Neonazis angemeldet und Hooligan-Demo durch die östliche Innenstadt geplant
Der Beitrag OVG gibt der Dortmunder Polizei Recht: Standkundgebung statt Hooligan-Aufzug – Karlsruhe kann das aber noch kippen erschien zuerst auf Nordstadtblogger.