
Die Polizei in Dortmund hat drei Anmeldern von weiteren Versammlungen mit Bezug zu dem terroristischen Angriff der Hamas auf Israel und dem Krieg im Nahen Osten beschränkende Verfügungen für eine Versammlung am Freitag (27.10. um 19 Uhr) und zwei Versammlungen am Samstag (28.10. von 14 bis 17 und von 15.30 bis 18 Uhr) in der Dortmunder Innenstadt übermittelt. „Das Grundgesetz des Bundesrepublik Deutschland schützt friedliche Versammlungen. Gegen Israel und generell gegen jüdisches Leben gerichtete Aggressionen und Anstachelungen zu Hass und Gewalt lässt die Polizei nicht zu“, betont Dortmunds Polizeipräsident Gregor Lange im Vorfeld.
Verbot für jegliche Anstachelung zu Hass und Gewalt gegen Israel und jüdisches Leben
Den Teilnehmer:innen der Versammlungen sind am Donnerstag jegliche Anstachelung zu Hass und Gewalt gegen Israel und jüdisches Leben in „beschränkenden Verfügungen“ durch die Polizei untersagt worden. In diesem Zusammenhang ist es zum Beispiel untersagt, Israel das Existenzrecht abzusprechen oder einen „Genozid“ zu unterstellen.
Die Anmelder erhalten eine Liste mit Symbolen und Fahnen, die Terrororganisationen wie den „Islamischen Staat“ (IS) und die „Islamische Widerstandsbewegung“ (Hamas) darstellen. Mit den beschränkenden Verfügungen ist das Zeigen dieser Fahnen und Symbole oder auch das Rufen von Parolen mit volksverletzendem Inhalt untersagt.

„Angstmache, Einschüchterung, Hass, Gewaltaufrufe und Sympathie-Bekundungen für terroristische Vereinigungen sind Ausdrück eines gefährlichen Antisemitismus. Dies gefährdet die öffentliche Sicherheit und Ordnung und damit den sozialen Frieden hier in Dortmund. Parolen, die zu Hass und Gewalt anstacheln, sind nicht vom Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland geschützt. Daher nutzen wir das Polizei-, das Versammlungs- und das Strafrecht konsequent, um Verstöße zu verhindern oder zu verfolgen“, betont Polizeipräsident Gregor Lange.
Wie bereits bei einer Kundgebung der Furkan-Bewegung am 17. Oktober 2023 setzt die Polizei auch bei den drei Versammlungen an diesem Wochenende Dolmetscher ein, um Verstöße sofort erkennen und ahnden zu können. „Wir legen dabei strenge Maßstäbe an und haben das den Anmeldern so auch mitgeteilt“, so Gregor Lange.
Netzwerk zur Bekämpfung von Antisemitismus warnt vor antisemitischen Vorfällen
Die für Samstag angekündigte Demo der „Palästinensischen Allianz NRW“ alarmiert das Netzwerk zur Bekämpfung von Antisemitismus. Es warnt in einer Stellungnahme, dass es zu antisemitischen Vorfällen kommen kann und fordert ein konsequentes Handeln aller Akteure. Anmelder ist Dr. Hisham Hammad für die Palästinensische Gemeinde in Dortmund. Hammad ist zugleich Sprecher der Deutsch-Palästinensischen Gesellschaft der Auslandsgesellschaft. Erwartet werden rund 1000 Teilnehmende.
Bereits der Titel der geplanten Veranstaltung „Stoppt den Genozid in Gaza“ lasse befürchten, dass es am kommenden Samstag zu diffamierenden Aussagen zur Situation in Israel und Gaza kommen wird. Die Unterstellung der Organisatoren, Israel beabsichtige die systematische Vernichtung der Palästinenser in Gaza, sei faktisch falsch und dämonisiere Israel.
„Die Verwendung des Begriffs ‚Genozid‘ ist unserer Sicht nach in diesem Zusammenhang antisemitisch und keine angemessene Beschreibung der Situation“, sagt Micha Neumann, Koordinator des Netzwerks. Im Gegensatz zum Terror der Hamas, der im Wesentlichen unterschiedslos auf die Ermordung von Jüdinnen und Juden abziele, richteten sich die militärischen Aktionen Israels gegen die Kämpfer und Strukturen der Hamas. Diese benutze die Menschen und Infrastruktur in Gaza als Schutzschild und sei damit für die prekäre Situation der Zivilbevölkerung verantwortlich.
Werbung für Demo nutzt Symbole der israelfeindlichen BDS-Kampagne

„So muss nach wie vor festgehalten werden, dass die aktuellen militärischen Handlungen Israels eine Reaktion auf die größte antisemitische Gewalttat seit 1945 sind und keine anlasslose Intervention. Zu den antisemitischen Morden der Hamas scheinen die Veranstalter der Demonstration kein Wort verlieren zu wollen, damit betreiben sie eine Schuldumkehr, in der Israel als der Aggressor dargestellt wird“, so Neumann weiter.
In Werbeankündigungen für die Versammlung wird zudem die Comic-Figur „Handala“ genutzt, welche als Symbol für die Forderung des Rückkehrrechts palästinensischer Flüchtlinge steht und zudem das Maskottchen der israelfeindlichen BDS-Kampagne („Boykott, Desinvestitionen, Sanktionen“) ist, die seit 2005 zum Boykott Israels aufruft und in deren Rahmen es immer wieder auch zu offen antisemitischen Aktivitäten kommt.
Der Organisator der Demonstration spreche in Medienberichten davon, dass man keine antisemitischen Parolen dulde und das Existenzrecht Israels nicht in Abrede stelle. Diese Beteuerungen seien zwar wichtig, könnten aber die Befürchtungen des Netzwerks nicht ausräumen. Grund dafür seien neben dem Titel und der Bezugnahme auf die BDS-Kampagne auch ähnlich gelagerte Veranstaltungen, die in den letzten Wochen in NRW stattgefunden haben.
NS-Vergleiche sowie Verharmlosung und Glorifizierung der Hamas

„Auf den letzten pro-palästinensischen Versammlungen in NRW wurden häufig Parolen gerufen und Schilder gezeigt, die als antisemitisch einzustufen sind“, erklärt Neumann.
Dies ist für das Netzwerk beispielsweise dann der Fall, wenn Israel mit dem Nationalsozialismus verglichen wird, die Beseitigung des Staates gefordert wird, sich auf antisemitische Mythen – auch codiert – bezogen wird oder der Terror der Hamas verharmlost oder glorifiziert wird.
„Zudem entsteht auf den Demonstrationen schnell eine aggressive und emotionale Dynamik, die mit der zu erwartenden Teilnehmermenge für Veranstalter nicht steuerbar ist“, sagt Neumann. Auch als antisemitisch bekannte Gruppierungen mobilisieren bereits in Sozialen Netzwerken für die Demonstration.
Das Netzwerk zur Bekämpfung von Antisemitismus warnt daher davor, dass die Versammlung zu einer Präsentationsfläche für antisemitische Äußerungen werden kann. Es appelliert daher an die Veranstalter, sich gut zu überlegen, ob eine Demonstration unter diesen Vorzeichen als sinnvoll erscheint, um das Leid der palästinensischen Zivilbevölkerung zu thematisieren.
Das Netzwerk registriert derzeit eine Zunahme von antisemitischen Vorfällen
Eine Sorge: „Eine solche Demonstration kann sich auf das Sicherheitsempfinden von Jüdinnen und Juden auswirken in Dortmund auswirken“, warnt Neumann. Das Netzwerk registriert derzeit eine Zunahme von antisemitischen Vorfällen.

„Als Stadtgesellschaft müssen wir uns entschlossen gegen jede Form von Antisemitismus stellen, der sich gegenwärtig Bahn bricht. Daher ist es wichtig, entsprechende Demonstrationen im Blick zu behalten, aber auch im Alltag, auf der Arbeit und in der Öffentlichkeit Antisemitismus zu widersprechen – auch wenn er sich auf Israel bezieht“, so die eindringliche Mahnung des Netzwerks.
Das Netzwerk zur Bekämpfung von Antisemitismus ist ein Zusammenschluss von zivilgesellschaftlichen Organisationen und städtischen Institutionen, der sich 2018 gegründet hat. Ziel des Netzwerks ist es seither, gegen Antisemitismus in Dortmund vorzugehen und durch Prävention und Intervention wirksam zu bekämpfen. Koordiniert wird das Netzwerk von ADIRA, der Antidiskriminierungsberatungsstelle in Trägerschaft der Jüdischen Gemeinde Dortmund.
Dortmunder Wohlfahrtsverbände solidarisieren sich mit der Jüdischen Kultusgemeinde
Die Dortmunder Wohlfahrtsverbände – AWO, Caritas, Diakonie,DRK und der Paritätische Wohlfahrtsverband – setzen ein Zeichen für Solidarität mit den jüdischen Bürger:innen in Dortmund. In einem gemeinsamen Schreiben an die Leitung der Jüdischen Kultusgemeinde unterstreichen die Verbände, im Namen ihrer insgesamt über 16.000 Mitarbeitenden, ihre Verbundenheit.
„Wir fühlen mit all jenen in Dortmund, die jetzt um Angehörige, Freunde und Bekannte trauern oder bangen, die bei dem barbarischen und beispiellosen Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober getötet, verletzt oder als Geiseln verschleppt wurden. Wir erschrecken vor dem schrecklichen Willen, jüdisches Leben zu vernichten, der sich in diesem antisemitischen Pogrom ausgetobt hat. Wir widersprechen darum allen, die jetzt auch in unserer deutschen Gesellschaft versuchen, dieses Massaker zu relativieren“, heißt es in einer Stellungnahme. Jedes „Ja, aber“ verharmlost. Denn für Judenhass kann es keine politische oder religiöse Rechtfertigung geben“, schreiben die Diakonie-Geschäftsführer Uta Schütte-Haermeyer und Pfarrer Niels Back als Sprecher für die Verbände.
Gleichzeitig erfülle es die Wohlfahrtsverbände mit großer Sorge, dass in den letzten Tagen antisemitische Hetze und Gewalt wieder stärker zunehmen und jüdische Einrichtungen auch in Dortmund noch stärker als bisher von der Polizei geschützt werden müssen: „Die Jüdische Kultusgemeinde Dortmund ist nicht nur ein unverzichtbarer Teil des religiösen und kulturellen Lebens unserer Stadt, sondern als Wohlfahrtsverband ein wichtiger Partner, mit dem wir uns gemeinsam für ein soziales Dortmund einsetzen.“
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