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Stadtgespräch von WDR 5 mit Polizeipräsident Gregor Lange – Aufgeheizte Stimmung beim Talk in Dortmund: „Wie viel Vertrauen haben wir in die Polizei?“

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Der Talkrunde im Reinoldinum fand etwa 100 interessierte Zuschauer:innen. Foto: Leopold Achilles

Der umstrittene Dortmunder Polizeieinsatz am 8. August 2022, bei dem ein 16-jähriger Senegalese von vier Kugeln aus einer Maschinenpistole getötet wurde, sorgte deutschlandweit für großes Entsetzen – und hat eine erneute Debatte um die Verhältnismäßigkeit von Polizeieinsätzen verursacht. „Wie viel Vertrauen haben wir in die Polizei?“ war die Leitfrage des Stadtgesprächs bei WDR 5 an der auch der Dortmunder Polizeipräsident Gregor Lange teilnahm.

Der Vorwurf Polizeigewalt: jüngste Ereignisse in Dortmund

 Wache Nord: willkürliche Gewalt an zwei Frauen – Im Juni diesen Jahres berichtete der WDR über zwei Frauen, die unabhängig voneinander schwere Vorwürfe gegen denselben Polizeibeamten der „Wache Nord“ erhoben. Beide Frauen sollen von dem Beschuldigten Malte F. widerholt geschlagen und als „Fotze“ beleidigt worden sein – im Beisein von anderen Beamt:innen. Neben Prellungen am Körper und im Gesicht wird bei einer der beiden Frauen auch ein Bruch des Bodens der linken Augenhöhle festgestellt. Der Satz „Halt mal den Ball flach, ich habe kein Problem damit, auch Frauen zu schlagen, Fotze”, soll im Rahmen der polizeilichen Maßnahmen gegen eine der beiden Frauen gefallen sein.

Der 16-jährige Mouhamed D. wurde von fünf Schüssen der Polizei getroffen und starb.
Der 16-jährige Mouhamed Lamine D.. Foto: AMZDO

Mouhamed D. stirbt nach Polizeieinsatz – Am 8. August diesen Jahres rief ein Betreuer einer Jugendeinrichtung in der Nordstadt die Polizei, aus Angst der junge Bewohner Mouhamed D. wolle sich etwas antun. Dieser hielt sich im Innenhof der Einrichtung mit einem Messer auf. Als die Polizei kurze Zeit später eintraf, eskalierte die Situation. Mouhamed soll die Beamt:innen angegriffen haben, nachdem Kommunikationsversuche gescheitert waren – der Senegalese sprach kein Deutsch.

Er saß am Boden hatte ein Messer gegen sich gerichtet. Weil er auf die Ansprache der Polizei nicht reagiert, ordnete der Einsatzleiter den Einsatz von Tränengas an. Anschließend – der Junge hatte das Messer noch immer gegen sich gerichtet – wurde zwei Mal mit einem Taser auf ihn geschossen. Beim zweiten Mal trafen ihn die Elektroden an Hals und Glied, was den Jungen aber nicht außer Gefecht setzte.

Dieser setzte sich – unter Schmerzen stehend – in Bewegung, Darauf gab ein 26-jähriger Sicherungsbeamter  sechs Schüsse aus einer Maschinenpistole ab. Den Jugendlichen trafen insgesamt vier Schüsse in Schulter, Unterarm, Kiefer und Bauch – er starb kurz später im Klinikum-Nord.

Der Polizeieinsatz sorgte bundesweit für Kritik und entfachte erneut alte Debatten zur Verhältnismäßigkeit von Poilzeieinsätzen, dem juristisch ordnungsgemäßen Einsatz von Maschinenpistolen in Notsituationen, dem Umgang mit psychisch belasteten Menschen in Notsituation und der Frage danach, wer die Polizei kontrolliert.

Neue Erkenntnisse zum tödlichen Polizeieinsatz verstärken anfängliche Zweifel

Die Aufklärung des Polizeieinsatzes läuft hinter verschlossenen Türen. Doch klar ist schon jetzt, dass viel Vertrauen in die Polizei verloren gegangen ist.
Mouhameds Tod löste Proteste aus. Foto: Paulina Bermúdez für Nordstadtblogger

Am 1. September gab es eine erste Zwischenbilanz in dem laufenden Ermittlungsverfahren. Die Staatsanwaltschaft prüfe derzeit ob der Schütze des Totschlags verdächtig sei, heißt es im Bericht des Dortmunder Oberstaatsanwalts vom 31.08., ursprünglich wurde wegen Körperverletzung mit Todesfolge ermittelt.

Zudem würde gegen vier weitere Beamt:innen ermittelt – die Einsatzleitung, die zwei Beamt:innen, die die Elektroimpulsgeräte („Taser“) genutzt haben sollen und die Beamtin, die Reizgas („Pfefferspray“) gegen den Jugendlichen eingesetzt habe. Alle Beschuldigten würden derzeit von ihrem Schweigerecht Gebrauch machen, heißt es weiter.

Des Weiteren konnte die Staatsanwaltschaft nicht nachweisen, dass der Getötete von den Zivilbeamt:innen dazu augefordert wurde, das Messer wegzulegen. Fest stehe mittlerweile auch, dass auf den mitgeführten Körperkameras (Bodycams) keine Aufzeichnungen festgestellt werden konnten – sie waren ausgeschaltet. Laut WDR gehe der ermittelnde Oberstaatsanwalt außerdem davon aus, der Einsatz sei unverhältnismäßig gewesen.

Stadtgespräch – Frage nach Vertrauensverlust in die Dortmunder Polizei

Einen Monat nach dem Polizeieinsatz lud der WDR zu einem Stadtgespräch in das Dortmunder Reinoldinum ein. In der Talkrunde diskutierten Polizeipräsident Gregor Lange, William Dountio, Veranstalter der Protestdemonstrationen, Fatma Karacakurtoglu, Vorsitzende des Flüchtlingshilfsvereins Train of Hope e.V.  und Rafael Behr, Professor für Polizeiwissenschaften an der Akademie der Polizei Hamburg  Das Ziel: Polizei und Kritiker:innen ins Gepräch bringen. Moderiert wurde die Veranstaltung von Judith Schulte-Loh, Rike Ullrich leitete die Publikumsbeiträge.

Es müssen Maßnahmen getroffen werden, dass man das (racial profiling) erstmals nachhalten kann, Untersuchungen machen kann. Warum wird das seit zwanzig und dreißig – und noch viel länger  – Jahren gefordert? Warum kann nach Oury Jalloh immer noch das Problem bestehen, dass Menschen Angst haben vor der Polizei? (Zuhörerin/ Person of Colour)

Polizeipräsident Gregor Lange im Gespräch
Polizeipräsident Gregor Lange wird mit starken Vorwürfen konfrontiert. Foto: Leopold Achilles

Polizeipräsident Lange äußerte zu Beginn, er habe Verständnis für eine Verunsicherung nach dem schrecklichen Polizeieinsatz. Die Frage danach, wie es dazu kommen konnte habe auch er sich gestellt und er bestätigte, dass durch die jüngsten Ereignisse Vertrauen in bestimmten Teilen der Bevölkerung abhanden käme.

„Wir als Polizei müssen den Anspruch haben in jedem Teil der Gesellschaft, in jeder Bevölkerungsgruppe, unabhängig davon welcher Nationalität, welcher Herkunft, welcher Hautfarbe oder welcher sonstigen persönlicher Merkmale gleichermaßen hohes Vertrauen zu haben“, so Lange.

Sie (PP Lange) haben gesagt, es wurden Konsequenzen gegen fünf Polizist:innen erhoben, die an dem Tattag am Tatort waren – aber was ist denn mit den anderen Polizist:innen. Was ist denn mit all den Polizist:innen, die racial proofiling betreiben, wo viele Leute hier in Dortmund Angst vor haben und besonders mit denen in der Wache Nord, was ja schon vor dem 08.08 groß in der Kritik war. (…) Und dann müssen sie sich als Polizeibehörde auch nicht wundern, wenn alle Menschen hier im Raum, nicht nur die Menschen, die vielleicht einen Migrationshintergrund haben, kein Vertrauen mehr in die Polizei haben. (Zuhörer Julius aus Hörde)

Fatma im Gespräch
Fatma Karacakurtoglu ist Vorsitzende bei der Dortmunder Flüchtlingshilfe train of hope e.V.. Foto: Leopold Achilles

Fatma Karacakurtoglu vom Dortmunder Flüchtlingshilfsverein Train of Hope e.V. berichtet, der Tod des jungen Senegalesen habe die Geflüchteten stark schockiert. Bei Vielen herrsche bereits Angst vor der Polizei, aufgrund von Erfahrungen aus den Herkunftsländern und auf den Fluchtwegen, die durch „Racial Profiling” und die besondere Aufmerksamkeit für die Nordstadt verstärkt würde.

Karacakurtoglu findet, der Umgang mit bestimmten Gruppen, sei der Politik geschuldet, die die Polizei seit Jahren als Instrument benutze um in eine Richtung, gegen Menschen, zu hetzen. Als Beispiele nennt sie umfangreiche, landes- oder bundesweite Razzien in Shishabars, mit dem Ergebnis von 22 Kilo unversteuertem Tabak. Sie ergänzt: „Da frage ich mich, was steckt eigentlich dahinter?“

In Bezug auf die Nordstadt äußert die Vorsitzende von Train Of Hope, man habe Drogendealer von anderen Orten in die Nordstadt gedrängt, man habe Prostitution in die Nordstadt gedrängt, man dränge Obdachlosigkeit und Drogenmissbrauch in die Nordstadt. Und am Ende würde dann gesagt, in der Nordstadt läge das Problem.

Ich bin schwarz, ich bin eine Frau, ich bin von Rassismus betroffen und Herr Lange, sie haben heute einen harten Abend, das sehe ich und fühle mit ihnen, aber ich könnte ihnen jetzt den Rest des Abends erzählen, wie häufig in meinem Leben ich schon Polizeikontakte hatte, weil ich schwarz bin. (…) Ich unterstelle den nordstädtischen Polizisten nicht, dass sie Rassisten sind und an dem Morgen mit Dienstantritt beschlossen haben, sie töten heute ein schwarzes Kind (…) Fakt ist aber, dass racial profiling an diesem Nachmittag handlungsführend war. (Zuhörerin/ Person of Colour)

William Dountio veranstaltete die Protestaktionen nach dem umstrittenen Polizeieinsatz. Foto: Leopold Achilles

William Dountio, Veranstalter der Gegenproteste und selbst eine Person of Colour (PoC), wies darauf hin, dass es sich um ein Problem handele, dass nicht erst am 8. August 2022 begonnen habe. Es handele sich viel mehr um einen alltäglichen Horror, einen ständigen Angstzustand. Menschen aus der Dortmunder Community der „People of Colour“ würden sich nicht trauen vor die Tür trauen – aus Angst vor grundlosen Kontrollen, Schikanen, verbalen und physischen Malträtierungen seitens der Polizei, berichtete Dountio.

Die Polizei Dortmund fordere öfter Vertrauen – William Dountio stellt die Gegenfrage: „Wann bekommen wir Vertrauen?“ Er ergänzt in Bezug auf das Thema Vertrauen, wo solle dieses herkommen, wenn in einem Einsatz elf Polizist:innen zugegen seien und niemand seine Bodycam anmache. (Anm.d.Red.: Es waren sogar zwölf Einsatzkräfte, davon vier in Zivil.)

Ich habe mir immer die Frage gestellt, sie (Lange) haben von einer tollen Ausbildung gesprochen, wie sehr das alles läuft, das mag alles sein aber die Frage ist, wie können sich elf Polizisten durch ein einziges Messer in Gefahr befinden? Sie sagten sie sind ein guter Ausbilder, da Frage ich: Haben sie keine schusssicheren Westen, haben sie keine Schutzschilder dabei? Das sind so einfache Maßnahmen.  (Zuhörer Glenn, PoC)

Moderatorin Schulte-Loh im Gespräch mit zugeschaltetem Polizeiwissenschaftler Behr. Foto: Leopold Achilles

Polizeiwissenschaftler Rafael Behr erkennt typische Strukturen für die gegebene Einsatzlage. Zum Einen weiche die Erstmeldung der Polizei erheblich von dem ab, was sich dann später sukzessive herausstelle. Die ersten Meldungen, wonach die Polizist:innen aus Notwehr gehandelt hätten, haben sich jetzt weiter ausdifferenziert. Nach wie vor sei es jedoch so, dass ein Messer juristisch den absoluten Grund darstelle, alle möglichen Notwehrmaßnahmen zu ergreifen.

Er erkenne in solchen Fällen jedoch Regelmäßigkeiten, so stünde immer die Gefahr für die Beamt:innen im Vordergrund und die Legitimationsmuster gingen immer danach, dass die Polizist:innen in Lebensgefahr gewesen seien. Wobei sich im Nachhinein im Fall von Mouhamed D. herausgestellt habe, dass er im Gebüsch gesessen habe, das Messer vor sich hielt und erst aufgesprungen sei nachdem er von dem Pfefferspray der Beamtin getroffen wurde.

Ich bin schockiert, was ich hier höre, auch von Herrn Behr. Wenn es ausreicht ein Messer zu tragen, dass man mit einer Maschinenpistole angegriffen werden kann – das hätte ich nicht gedacht auf der Fahrt hier her. Wir leben doch nicht in Chicago, sondern in Nordrhein-Westfalen! Und ich bin ein alter, weißer Mann, aber selbst ich habe Angst davor. (Zuhörer Joseph Rick, Hauseigentümer von Immobilien in der Nordstadt)

Reaktionen auf Publikumsberichte von „Racial profiling“ und Polizeigewalt

Scharfe Kritik äußerte das Publikum im Reinoldinum in Bezug auf die Dortmunder Polizei.
Scharfe Kritik äußerte das Publikum im Reinoldinum in Bezug auf die Dortmunder Polizei. Foto: Leopold Achilles

Der Vorwurf von racial profiling und rassistischer Polizeigewalt fand sich in fast allen Beiträgen des sehr diversen und teils stark emotional betroffenen Publikums. Eine Person of Colour-Lehrerin äußerte in Bezug auf „Racial Profiling”, das sie verstehe, dass Messer Polizist:innen enorm triggerten. Messer als Waffe bringe man jedoch mit schwarzen und, mit arabisch gelesenen Männern in Verbindung. Und aufgrund von diesem strukturellen Problem sei einem von Langes Polizisten „die Sicherung durchgebrannt“ und er habe Mouhamed D. erschossen.

Polizeipräsident Gregor Lange äußerte in der Debatte in Bezug auf die ihm entgegengebrachte Kritik an der Dortmunder Polizei: „Ich bin ja oft unterwegs und an vielen Stellen und ich erlebe an anderen Stellen eine sehr andere und unterschiedliche Rückäußerung – auch vom Publikum, das ich habe.“

„Also das, was ich hier heute Abend entgegengebracht bekomme, ist glaube ich nicht das, was in Dortmund die Menschen tatsächlich über die Dortmunder Polizei denken.“ Die Teilnehmenden beim Stadtgespräch „hier haben schon eine besondere Auffassung“. Moderatorin Schulte-Loh wies umgehend darauf hin, dass es wichtig sei, sich gegenseitig ernst zu nehmen. Dazu gehöre auch, das Gesagte der Publikumsbeiträge aufzunehmen.

Auch Manfred Kossack, ehrenamtlicher Beauftragter des Oberbürgermeisters  für Vielfalt und Demokratie, meldete sich aus dem Publikum zu Wort: „Unsere Gesellschaft hat dreißig Prozent, die an der Stelle eine im Grunde tendenziell rechte Auffassung haben. Und sie sind in allen Behörden, sie sind in allen Unternehmen und sie gibt es auch bei der Polizei. Wichtig ist, dass wir was dagegen tun.“

Nicht alle Bevölkerungsgruppen erleben die Polizei „als Freund und Helfer“

Die rund 100 Menschen im Publikum konnten ihre Meinungen erstmals an Gregor Lange herantragen. Foto: Leopold Achilles

Polizeiwissenschaftler Behr ergänzte, neben Rassismus gebe es auch die oft vergessene Diskriminierung von Menschen bestimmter sozialer Schichten. Die zuvor genannten bestimmten Bevölkerungsgruppen, die die Polizei sehr hoch schätzten und die selbst nicht im Fokus der Polizei stünden und nur selten kontrolliert würden, beschreibt Behr als „weiß, um die vierzig, mittelschichtig und fahren Volvos.“

In der Nordstadt gibt es eine Migrationsquote von etwa siebzig Prozent – und für Teile dieser Menschen gehört Rassismus zum Alltag – auch von Seiten der Dortmunder Polizei. „Es gibt Milieus, ja ganze Stadtteile, die von der Polizei stärker bedacht werden, weil dort Vermutungen angestellt werden über abweichendes Verhalten und Kriminalität“, so Behr.

Um den Anteil von Betroffenen definieren zu können  wäre es doch sinnvoll – auch als Handhabe für Polizist:innen in kontroversen Diskussionen – die seit Jahren geforderte bundesweite Studie zu Rassismus in der Polizei zu genehmigen. Diese würden jedoch die „Rassismusaufklärungsverhinderungsstrukturen“, wie Personalräte und Gewerkschaften, verhindern, erklärte Behr.

Wahrscheinlicher erscheint also, dass wir uns in endlosen, subjektiv geführten Debatten, bestimmt von persönlichen Erfahrungsberichten verlieren.

„Talk with a cop“ soll beidseitigen Austausch im Dortmunder Norden ermöglichen

Auch nach der Talkrunde fanden Gespräche statt. Foto: Leopold Achilles

„Ich bin bereit über Fehler, die Polizeibeamte machen, auch zu reden. Und natürlich machen Polizeibeamte Fehler. Und wenn sie Fehler machen, die vorwerfbar sind, dann müssen sie sich dafür auch verantworten“, sagte Lange im Gespräch.

William Dountio kritisierte die Aussage scharf: „Sie sagen sie sind bereit über Fehler zu reden. Fehler. Es tut mir leid, ein Fehler ist es, wenn ich einen Satz ohne Komma und Punkt schreibe. (…) Wir reden hier über Mouhamed. Wir vergessen aber, dass es hunderte Mouhameds, tausende sogar vielleicht seit Jahren in Dortmund gibt. (…) Wir reden hier über einen Einsatz wo elf –  ihrer Meinung nach gut ausgebildete – Polizist:innen vor Ort waren und kein einziger von diesen Polizisten und Polizistinnen den Mut, die Ruhe, die Qualitäten und die soziale Kompetenzen hatte, diese junge Person ruhig zu stellen.”

Polizeipräsident Lange verwies in der Talkrunde immer wieder auf Weiterbildungen, Veranstaltungen und Konzepte zum Thema Vielfalt. Er habe mit der afrikanischen Community Kontakt aufgenommen und er sei gerade dabei einige Kontakte aufzubauen, um einen Austausch zu ermöglichen, der beidseitig den Menschen dahinter sehen lassen soll. Er wolle erreichen, dass sich Menschen aus den Communities und Polizeibeamt:innen außerhalb von Polizeieinsätzen begegnen können. Das Konzept „talk with a cop“, das laut Lange großen Anklang finde, soll weiterhin im Dortmunder Norden stattfinden.

Hier sitzt die falsche Person. Der Polizeipräsident, der tut mir ja fast leid. Da müsste der Innenminister sitzen. Dieser Mensch, der Gerichtsurteile missachtet – Stichwort Verwaltungsgericht Gelsenkirchen. Dieser Mann, der sowieso sein Vertrauen verspielt hat, der sollte hier sitzen und seine Hetzkampagnen gegen Menschen, die vermeintlich kriminell sind , der sollte sich mal hier verteidigen. Diese ganze Wut, die er aufgebaut hat, hat auch dazu beigetragen, dass wir diese – ich nenn es jetzt mal – Polizeigewalt haben. (Zuhörer Joseph Rick, Hauseigentümer von Immobilien in der Nordstadt)

Auch Manfred Kossack, Beauftragter für Demokratie und Vielfalt ist ein Dialog wichtig: „Wir machen als Stadt und als Polizei das Angebot ins Gespräch zu kommen, weil ich habe viel mitgenommen, wo ich sage, da muss man noch tiefer rein. Ich danke für die vielen Wortmeldungen und wir müssen daraus eine Lernkurve ziehen und die Dinge künftig besser machen.“

Prävention: Forderungen nach innovativen Konzepten für Polizist:innen

„Wird es nicht in unserer diversen Gesellschaft jetzt Zeit, sich von Racial Profiling als Handlungsmuster zu verabschieden, Herr Lange“, fragte eine Stimme aus dem Publikum. Immer wieder wurden Forderungen nach intensiven, verpflichtenden Fortbildungen für Polizist:innen laut. Dass Verbesserungsbedarf der polizeilischen Schulungen besteht, vor allem im Bereich „Racial Profiling“ und dem Umgang mit psychisch belasteten und möglicherweise sogar suizidalen Menschen, schien für das Publikum festzustehen.

Also ganz im Ernst Herr Lange, dass kann doch nicht sein. Wir leben in einer Großstadt mit 600.000 Einwohner:innen. Es ist mit Sicherheit nicht selten der Fall, dass Leute suizidale Gedanken haben, dass Leute mit einem Messer bewaffnet sind. (…) Die (ausgebildeten Polizist:innen) müssen doch wohl in der Lage sein, einen 16-Jährigen suizidalen Menschen richtig zu behandeln. Also ich habe da leider kein Verständnis mehr für. (Zuhörer Julius aus Hörde)

Polizeiwissenschaftler Rafael Behr ist überzeugt davon, dass es keine Strukturen in der Polizei gebe, die Rassismus direkt anordneten. Aber es gebe Strukturen, die Rassismusaufklärung strukturell verhinderten. Diskriminierend verhalten könnten sich Polizist:innen zudem auch, ohne rassistisch zu sein, als Beispiel nannte er das Asylverfahrensgesetz, das bestimmte Personengruppen ins Visier der Polizei rückte, die dadurch häufiger kontrolliert würden und das sei genau so diskriminierend wie ethnische Diskriminierung.

Die Wortmeldungen der Menschen aus dem Publikum nahmen kein Ende – es besteht viel Redebedarf. Foto: Leopold Achilles

Er kritisierte zudem den polizeilichen Umgang mit Messern. Leider sei die einzige Antwort auf ein gezücktes Messer eine Schussabgabe, Alternativen würden den Polizist:innen derzeit nicht vermittelt. Dabei könne man auch mit Distanzstangen arbeiten, um den Gegenüber und die Waffe fern zu halten oder die Waffe aus der Hand zu schlagen.

Abschließend forderte Polizeiwissenschaftler Rafael Behr von dem Dortmunder Polizeipräsidenten Gregor Lange: „Herr Lange, sie sind in der Position in ihren Kreisen im Land dafür zu sorgen, dass endlich mehr Sorgfalt darüber herrscht oder mehr Training stattfindet im Umgang mit Messervorfällen. Denn sie haben dafür gesorgt, nicht sie persönlich, aber sie alle haben dafür gesorgt, dass ihre Polizisten in Terror und in Amok ausgerüstet werden. Deswegen haben die zwei Maschinenpistolen an Bord.“ Nur so könnten Polizist:innen lernen, mit nicht tödlichen Mitteln auf Angriffe zu antworten.

Die vollständige Diskussion zum Nachhören gibt es  unter WDR5-Stadtgespräch

 

Der Beitrag Aufgeheizte Stimmung beim Talk in Dortmund: „Wie viel Vertrauen haben wir in die Polizei?“ erschien zuerst auf Nordstadtblogger.


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