Skeptisch verfolgt Nicole Ausbüttel die Diskussionen um die mögliche Videoüberwachung in der Innenstadt. Die Apothekerin ist Vorsitzende der Interessengemeinschaft Münsterstraße. Bei dem Thema schlagen zwei Herzen in ihrer Brust. Einerseits möchte sie die Probleme vor ihrer Ladentür offensiv angehen. Andererseits befürchtet sie durch die Debatte eine weitere Rufschädigung für die Münsterstraße.
BV Nordstadt möchte eine Videoüberwachung für die Münsterstraße
Worum geht es? Der Rat wird am heutigen Donnerstag die Videoüberwachung thematisieren. Die CDU hat einen Antrag gestellt, um den Vorstoß des Dortmunder Polizeipräsidenten zu begrüßen, in der Brückstraße eine Videoüberwachung einzurichten.
Auch die Bezirksvertretung Innenstadt-Nord hatte dieses Thema auf der Tagesordnung – allerdings wegen einer SPD-Resolution. Darin wird gefordert, auch in der Nordstadt Kriminalitätsschwerpunkte per Video zu überwachen. Konkret geht es um die Einkaufsmeile in der Münsterstraße.
„Die Gewerbetreibenden beklagen seit längerem Drogen- und Diebstahldelikte, die dazu führen, dass potentielle Kunden ihre Geschäfte meiden. Dies führt zu hohen wirtschaftlichen Einbußen, sodass zu befürchten ist, dass alteingesessene Inhaber ihre Geschäfte aufgeben müssen“, heißt es in der Resolution.
„Hinzu kommt ein Verdrängungseffekt von der Brückstraße in die Nordstadt, die noch zum weiteren Anstieg der Kriminalität in der Münsterstraße führen wird“, führt die Resolution an.
Linke, Piraten und Grüne sprachen sich gegen eine Videoüberwachung aus
Die Nordstadt-SPD forderte daher die anderen Parteien auf, ihr Ansinnen zu unterstützen und auch in der Münsterstraße Videotechnik einzusetzen. „Diese dient nicht nur dazu, Kleinkriminelle abzuschrecken, sie kann gleichzeitig dazu beitragen, das subjektive Sicherheitsgefühl der Bürger zu verbessern“, begründet Brigitte Jülich.
Allerdings wollten nicht alle Fraktionen mitziehen: Linke, Piraten und Grüne sprachen sich dagegen aus. „Wir begrüßen die Resolution ausdrücklich nicht, sondern lehnen sie ab“, machte Rico Koske (Grüne) deutlich. „Ich halte das schon in der City für falsch. Das wird zur Verdrängung in den Norden führen. In der Münsterstraße wird das Problem dann noch massiver.“
Auch Cornelia Wimmer (Linke) sprach sich gegen das Vorhaben aus: „Eine Verdrängung würde unzweifelhaft stattfinden. Die Sicherheitsbehörden werden Schwierigkeiten haben, die neuen Geschäftsmodelle und Orte in den Blick zu bekommen. Das wäre kontraproduktiv.“
Erfolge mag David Grade (Piraten) nicht erkennen: „Wir kennen die erschreckenden Videos, wie Leute an Bahnsteigen verprügelt werden. Die Kameras verhindern das nicht. Wir brauchen keine Kameras, sondern Polizisten.“
Polizei-Gesetz macht eine Videoüberwachung in der Nordstadt unmöglich
„Wir begrüßen den Antrag. Aber die Verordnung von Rot-Grün auf Landesebene möchte Verdrängung in gleichartige Bereiche vermeiden“, erklärt Dorian Marius Vornweg (CDU). Daher sei eine Videoüberwachung in der Nordstadt nicht möglich.
Darauf verweist auch die Polizei. Bei der Entscheidung für einen Standort zur Videobeobachtung seien die engen rechtlichen Voraussetzungen von §15a des Polizei-Gesetzes zu berücksichtigen. „Dies hat Polizeipräsident Gregor Lange im Vorfeld getan“, betont seine Pressestelle auf Nachfrage. Dort fokussiert man sich auf die Brückstraße.
„Die Brückstraße ist ein öffentlicher Bereich, in dem wiederholt Straftaten begangen werden und deren Beschaffenheit die Begehung von Straftaten begünstigt. Dies gilt nicht für jeden Wochentag, sondern insbesondere an Freitagen und Samstagen in den Nachtstunden.
Aus diesem Grund beziehen sich die Planungen des PP Dortmund derzeit vor allem auf diese kritischen Zeiten. Mit dieser Fokussierung kommen wir dem gesetzlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Besonderen nach“, heißt es in der Stellungnahme der Polizei.
Außerdem sei eine Videoüberwachung in der Brückstraße möglich, da durch die „einmalige Struktur“ eine Verdrängung nicht möglich bzw. zu erwarten sei. „Dies stellt sich an vielen anderen Orten – wie zum Beispiel auf der Münsterstraße – anders dar“, so die Polizei.
„Dort sei im Umfeld die Infrastruktur gegeben, dass es zu einer Verdrängung kommen könnte. Dies aber widerspräche dem gesetzlich vorgesehenen Ziel, durch Videobeobachtung Kriminalität zu verhindern“, heißt es in der Reaktion der Polizei, die darauf verweist, dass die Videobeobachtung nur ein Baustein im Präsenzkonzept der Polizei Dortmund ist.
Verdrängung wird sogar begrüßt, weil sie der kriminellen Szene „Unannehmlichkeiten“ bereitet
Eine Einschätzung, die Nordstadt-Bezirksbürgermeister Dr. Ludwig Jörder nicht teilt. Schließlich sei auch die Drogenszene vom Platz von Leeds in der City in die Nordstadt verdrängt worden.
Verdrängung hin, Verdrängung her. Die würde er hinnehmen. Ja, er würde sie sogar einfordern: „Verdrängen im Sinne von Stören. Immer wieder. Den Dealern sollte die Polizei es möglichst unbequem machen“, so Jörder.
Eine Position, die auch Andreas Urbanek (AfD) teilt, weil „wir nur am Symptom kurieren“. Eine effektive Strafverfolgungsstrategie sei nicht gewollt und gekonnt. Daher sei das „Unbequemmachen ein Minimum, wenn schon nicht bekämpft werden kann“, so Urbanek.
Für David Grade kein gangbares Konzept. Er sieht nur durch eine kontrollierte Abgabe ein Lösung: „Nur das packt das Übel an der Wurzel und entzieht den Dealern das Geschäftsmodell. Anders funktioniert das nicht“, glaubt der Pirat.
Allerdings wollten große Teile der BV dieses Fass nicht (erneut) aufmachen. Daher wurde die Resolution gegen die Stimmen von Linke, Piraten und Grünen beschlossen.
Interessengemeinschaft fordert mehr Polizeipräsenz statt punktueller Videoüberwachung
Und wie findet Nicole Ausbüttel die Debatte? Für sie geht sie an den Problemen vorbei. Denn schon jetzt hielten sich die Dealer überwiegend in den Seitenstraßen auf, weil sie dort ungestörter seien als direkt auf der Straße. In der Münsterstraße gebe es auch nur punktuell Probleme.
„Videoüberwachung bringt nur etwas, wenn sie konsequent flächendeckend erfolgt. Sonst verpufft der Effekt“, glaubt Ausbüttel. Sie hofft weniger auf die Kameras, sondern viel mehr auf den dauerhaften Druck durch die hohe Polizeipräsenz.
„Dadurch sind wir schon jetzt auf einer guten Entwicklung“, betont die Vorsitzende der Interessengemeinschaft.
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